Call for Papers – Jahrbuch der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung 2018

„Unter dem Pflaster liegt der Strand“ oder „Die Phantasie an die Macht“ – diese Slogans charakterisieren die ’68er-Bewegung, die kreativ, programmatisch und parolenreich ihre (gesamt)gesellschaftlichen Forderungen in die Öffentlichkeit trug. Nicht nur für die bundesrepublikanische Gesellschaft stellt das Jahr 1968 einen bedeutsamen Umbruch dar; vielmehr hat ’68 ebenso eine ost- wie westeuropäische und internationale Dimension. ’68 kann als Chiffre für Protestbewegungen (Kraushaar) verstanden werden, die ihre Strahlkraft in verschiedenste gesellschaftliche Dimensionen entfaltet haben. Die damit einhergehende Politisierung führte zur kritischen Bestandsaufnahme sowie Infragestellung bestehender institutioneller Ordnungen, der Geschlechter- und Generationsverhältnisse wie der individuellen Lebensführung. Literatur und Medien wurden einer kritischen Revision unterzogen und neue Formate und Schreibweisen etabliert; Traditionslinien wurden aufgebrochen bzw. unter neuen Paradigmen weitergeführt.

Diese Entwicklungen bestimmten auch wesentlich die Kinder- und Jugendliteratur und ihre Medien: inhaltlich beeinflusst durch die antiautoritären Diskurse, wie sie im Bildungs- und Erziehungswesen geführt wurden, und die Forderungen der Emanzipationsbewegung(en), thematisch und ästhetisch orientiert an den politisierten Fragestellungen und einen neu verorteten Realitäts- und gesellschaftspolitisch bestimmten Bezug.

Die Kinder- und Jugendliteraturforschung hat diese Entwicklung als Paradigmenwechsel benannt und erforscht; neuere Untersuchungen beziehen aber erkennbar auch die Entwicklungen der späten 1950er und frühen 1960er Jahre mit ein und weisen darauf hin, dass die Veränderungen literar-ästhetisch teils bereits sehr viel früher einsetzten.

50 Jahre nach der so benannten paradigmatischen Zäsur soll die Chiffre ’68 in den Blick genommen werden. Dabei gilt es, erforschtes Terrain weiter auszuleuchten, neue Fragestellungen zu entwickeln sowie bekannte Positionen auch einer kritischen Lektüre zu unterziehen.

Fragen, die sich hieran anlehnen könnten, wären z.B.: Wie emanzipatorisch war die Emanzipatorische Mädchenliteratur? Werden (neue) innovative bzw. zeitbezogene pädagogische Implikationen an den Texten dieser Epoche ablesbar? Welche Veränderungen in der Haltung zu NS und Holocaust lassen sich an Gattungen, Texten und thematischen Umsetzungen ablesen? Welche Veränderungen werden im Bereich der Erzählformen und Illustration augenscheinlich? Worin wird die veränderte Generationenfrage virulent? Wie werden die zeitgeschichtlichen Umbrüche um 1968 von heute aus gesehen und eingeordnet, welchen Reflex finden sie in Familien-, Kindheits- und Jugenddarstellungen, aber auch in der politischen Literatur?

Der zweite Jahrgang des Jahrbuchs für Kinder- und Jugendmedienforschung nimmt das anstehende 50-jährige Jubiläum von 1968 zum Anlass, um historische wie gegenwärtige Dimensionen dieser Schnittstelle in den Blick zu nehmen. Die Beiträge sollten die vielfältigen Implikationen dieses Themenkomplexes sowohl aus theoretischer wie gegenstandsorientierter Perspektive in seinen unterschiedlichen medialen Gestaltungsformen (Erzählungen, Bilderbücher, Comics, Graphic Novels, Filme, Fernsehen, Computeranwendungen) aufgreifen und auch vor dem Hintergrund ihrer Bedeutung für die

heutige Kinder- und Jugendkultur diskutieren. Wie ’68 in gegenwärtigen Kinder- und Jugendmedien thematisiert und reflektiert wird, ist dabei ebenfalls von Interesse.

Mögliche Themen, Aspekte, Zugänge und Schwerpunkte, jeweils mit Bezug auf Kinder- und Jugendliteratur bzw. -medien, wären:

 veränderte Erzählformen / Narrative / Figuren und Bilder

 Gender (insbesondere Frauen und Mädchenbilder, auch in stereotypen Rollenzeichnungen)

 (veränderte) Alteritätsvorstellungen

 innovative Kindertheater-Bewegung (Rote Grütze, Berlin etc.)

 Neue Programme im Kinderfernsehen

 Postkolonialismus (mit kritischer Revision der Dritten Welt-Thematik)

 Differenztheorie (inkl. neue Konzepte in der Jugend- und Sozialarbeit und ihre literarischen Entwürfe)

 Relevanz von ’68 für KJL der DDR und Osteuropa

 Veränderungen des Handlungssystems (Verlagsgründungen, Magazine, Medien)

 Etablierung der KJL-Forschung

 …

Über das Schwerpunktthema hinaus sind zudem bis zu drei offene Beiträge zu kinder- und jugendliterarischen/-medialen Fragestellungen aus historischer wie theoretischer Perspektive erwünscht; auch hier bitten wir um entsprechende Vorschläge.

Formalia: 

Wir hoffen auf große Resonanz und bitten bei Interesse um die Zusendung von entsprechenden Angeboten für themenbezogene bzw. offene Beiträge – zunächst (d.h. bis zum 15.9.17 in Form eines Abstracts (von nicht mehr als 300 Worten). Die Abstracts sollten außer einer kurzen inhaltlichen Zusammenfassung Angaben über die Fragestellung machen, den Bezug zu theoretischen Positionen herstellen sowie die Literatur nennen, auf die sich der Beitrag stützt.

Die Beiträge selbst sollten einen Umfang von 40.000 Zeichen (incl. Fußnoten und Literaturverzeichnis) nicht überschreiten und den Herausgeberinnen spätestens bis zum 1.3.2018 als Word-Dokument vorliegen.

Bitte senden Sie Ihre Abstracts an:

u.dettmar@em.uni-frankfurt.de

g.glasenapp@uni-koeln.de

caroline.roeder@t-online.de

osullivan@uni.leuphana.de

ingrid.tomkowiak@uzh.ch

Ein Style Sheet wird nach Eingang der Abstracts verschickt.